Vorwort
Mit dem vorliegenden Schutzkonzept haben wir ein gemeinsames Verständnis von Kinderschutz geschaffen, das für alle Einrichtungen der UG Kinder- und Jugendbetreuung Meckenheim verbindlich ist. Die entwickelten Grundsätze geben uns Orientierung und Handlungssicherheit, um im Falle eines Falles bestmöglich zu begleiten und zu unterstützen. Sie sind Ausdruck einer Kultur der Achtsamkeit und Verantwortung, auf die wir in unseren Einrichtungen ein besonderes Augenmerk legen und die wir bereits im Einstellungsverfahren berücksichtigen.
Wer in einem sicheren Rahmen handelt, kann effektiver schützen. Mit dieser Handreichung ist uns ein wichtiges Instrument an die Hand gegeben, die Integrität der Kinder zu schützen und gleichzeitig die Fürsorge für die Mitarbeitenden im Blick zu haben.
Nun gilt es, das Schutzkonzept zum festen Bestandteil des Handelns zu machen und in den Einrichtungen lebendig zu halten.
- Leitbild
- Verhaltenskodex
- Partizipation von Kindern – Stärkung ihrer Rechte
- Beschwerdemöglichkeiten
- Prävention
- Intervention
- Fortbildung und fachliche Beratung
I. Leitbild
Wir verstehen uns als ein Träger, der sich für den Schutz von Kindern und Jugendlichen verantwortlich fühlt. Die Mädchen und Jungen sollen unsere Einrichtungen als sichere Orte für ihre Persönlichkeitsentwicklung erfahren und sich wohl fühlen.
Wir nehmen die Kinder so an, wie sie sind. Wir vermitteln ihnen Werte und Lebenskompetenzen, die wichtig für den Umgang mit sich selbst und mit anderen sind. Wir stärken und ermutigen sie darin, sich zu eigenständigen und sozial kompetenten Persönlichkeiten zu entwickeln, damit sie ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft werden.
Wir unterstützen die Mädchen und Jungen in ihrem Recht, aktiv mitzubestimmen und mitzugestalten. Ihre Beteiligung gestalten wir altersgerecht und begleiten sie dabei. Kinder brauchen aber auch ein Recht auf Risiko. Wir unterstützen sie dabei, Risiken zu erkennen und einzuschätzen, sich auszuprobieren und an ihren eigenen Grenzen zu lernen und zu wachsen. So können sie sich zu einer selbstbewussten und starken Persönlichkeit entwickeln.
Wir verhalten uns den Kindern gegenüber achtsam und einfühlsam. Im Umgang wahren wir die persönliche Grenze und Intimsphäre eines jeden Mädchen und Jungen. Wir bestärken sie darin, ihren eigenen Gefühlen zu vertrauen und Grenzen zu setzen. Das Recht des Kindes, nein zu sagen, respektieren wir und bestärken es darin. So unterstützen wir es, respektvoll mit seinen eigenen Grenzen und denen anderer Menschen umzugehen.
Kinder haben ein Recht auf Schutz und Hilfe in Notlagen. Deshalb nehmen wir die Mädchen und Jungen ernst und hören ihnen zu. Wir ermutigen sie, sich an eine Vertrauensperson zu wenden, wenn sie Kummer haben. Hilfe holen ist kein Petzen! Dies gilt für Kinder, Eltern und Beschäftigte gleichermaßen.
Wir sind uns über das Machtverhältnis und die damit verbundene Verantwortung zwischen Erwachsenen und Kindern bewusst. Bestehende Regeln und Grenzen, die eingehalten werden müssen, erläutern wir. Konsequenzen müssen für sie angemessen und nachvollziehbar sein, Ironie und Bloßstellung vermeiden wir.
Wir sehen uns als eine Verantwortungsgemeinschaft, in der alle an Erziehung und Bildung Beteiligten eng zusammenarbeiten. Wir sind daran interessiert, Anregungen und Rückmeldungen von Kindern, Eltern und Beschäftigten zu erhalten. Eine kontinuierliche Überprüfung des eigenen Verhaltens sehen wir als notwendig an. Beschwerden und Fehlern gehen wir offensiv nach. Unser Ziel ist es, unser Wissen und unser pädagogisches Handeln gemeinsam weiter zu entwickeln und unsere Qualität stetig zu verbessern.
Das Präventionskonzept soll signalisieren:
- Den Kindern „Hier kannst Du sprechen und dich mitteilen!“
- Den Eltern: „Hier sind sichere Räume!“
- Den Täterinnen und Tätern: „Nicht bei uns!“
- Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: „Wir unterstützen dich!“
II. Verhaltenskodex
Als Mitarbeiterin/Mitarbeiter in den Einrichtungen der UG Kinder- und Jugendbetreuung Meckenheim bin ich in besonderer Weise verpflichtet, Mädchen und Jungen in ihren Rechten zu stärken und sie vor Verletzungen ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit zu schützen. Mein Handeln ist an folgenden Grundsätzen ausgerichtet, die ich beachten und verbindlich einhalten werde:
Die mir anvertrauten Mädchen und Jungen haben das Recht auf eine sichere Einrichtung. Ich setze mich für ihren bestmöglichen Schutz ein und werde keine offenen und subtilen Formen von Gewalt, Grenzverletzungen und Übergriffen an Kindern und Jugendlichen vornehmen bzw. wissentlich zulassen oder dulden. Diese können sein:
- Verbale Gewalt (herabsetzen, abwerten, bloßstellen, ausgrenzen, bedrohen)
- Körperliche Gewalt
- Sexuelle Gewalt und sexuelle Ausnutzung
- Machtmissbrauch
- Ausnutzung von Abhängigkeiten
Ich beziehe gegen diskriminierendes, gewalttätiges und sexistisches Verhalten aktiv Stellung und greife ein. Wenn ich Kenntnis von einem Sachverhalt erlange, der die Vermutung auf ein Fehlverhalten durch Mitarbeitende nahelegt, teile ich dies unverzüglich meiner/meinem unmittelbaren Vorgesetzten mit. Die Wege und Ansprechpersonen bei meinem Träger finde ich im Schutzkonzept, das mir ausgehändigt wurde. Darin sind weitere Anlaufstellen genannt, an die ich mich bei Bedarf wenden kann.
Mein pädagogisches Handeln ist transparent und nachvollziehbar und entspricht fachlichen Standards. Ich nutze dazu die vorhandenen Strukturen und Abläufe und dokumentiere sie. Dabei orientiere ich mich an den Bedürfnissen der Mädchen und Jungen und arbeite mit den Eltern bzw. Sorgeberechtigten partnerschaftlich zusammen.
Jedes Kind wird in seiner Individualität und Selbstbestimmung wahrgenommen und anerkannt. Mein professioneller Umgang ist wertschätzend, respektvoll und verlässlich – dabei achte ich auf die Gestaltung von Nähe und Distanz, von Macht und Abhängigkeit und von Grenzen. Dies gilt ebenso für den professionellen Umgang mit Bildern und Medien sowie die Nutzung des Internets. Hierfür trage ich als Erwachsene/r die Verantwortung. Das richtige Maß an Nähe und Distanz zu entwickeln, ist ein fortwährender Prozess. Dabei achte ich auch auf meine eigenen Grenzen.
Körperkontakt und körperliche Berührungen sind zwischen den Kindern und mir als pädagogische Bezugsperson wesentlich und unverzichtbar. Dabei wahre ich von Anfang an die individuelle Grenze und persönliche Intimsphäre der Mädchen und Jungen. Verbaler Kontakt wie Körperkontakt geschehen ihnen gegenüber respektvoll und mit Achtsamkeit gegenüber ihren Grenzen. Ich respektiere das Recht des Kindes, nein zu sagen.
Mein Umgangston ist höflich und respektvoll. Meine sprachlichen Äußerungen bzw. die Wörter, die ich verwende, sind nicht abwertend, herabwürdigend oder ausgrenzend. Dies gilt ebenso für meine nonverbale Kommunikation (Gestik, Mimik, etc.). Mein grenzachtender Umgang beinhaltet auch, die Kinder nicht mit Kose- oder Spitznamen anzusprechen, wenn sie dies nicht möchten.
Ich nehme jedes Kind in seinem individuellen Ausdruck ernst. Ich beobachte und höre sensibel zu, um im Dialog mit ihm herauszufinden, für welche Themen es sich interessiert oder welche Fragen es beschäftigen. Damit signalisiere ich jedem Kind: deine Gedanken interessieren mich. Ich unterstütze es dabei, Worte für seine Gefühle und seine Erlebnisse und alle seine Körperteile zu finden. Insbesondere wenn ein Kind Angst und Kummer hat, wende ich mich ihm zu und ermutige es, zu erzählen, was es erlebt hat. Vor allem auch über Situationen, in denen es sich unwohl, gedrängt oder bedroht gefühlt hat oder etwas ihm komisch vorgekommen ist. Sollte ich dabei Kenntnis von grenzverletzenden oder gefährdenden Sachverhalten erlangen, handle ich gemäß den Regeln und Abläufen dieses Schutzkonzeptes.
Ich unterstütze die Mädchen und Jungen in der Entwicklung eines positiven Körpergefühls. Die Kinder sollen lernen, dass sie ein Recht auf ihren eigenen Körper haben. Dabei achte ich respektvoll auf ihre individuelle Schamgrenze und Intimsphäre.
Ich achte darauf, dass dabei klare Regeln und Grenzen eingehalten werden, über die ich mit den Mädchen und Jungen spreche. Ich sorge dafür, dass nichts gegen den Willen des Kindes geschieht und greife ein, wenn es zu grenzverletzendem Verhalten bzw. Sexualerkunden unter den Kindern kommt.
Ich informiere meine Kollegin/meinen Kollegen und die Leitung und unterstütze sie im Arbeitsalltag und in besonderen Belastungssituationen. Ich achte darauf, dass im Team ein wertschätzender und respektvoller Umgang miteinander erfolgt. Konflikte oder auftretende Meinungsverschiedenheiten tragen wir angemessen aus mit dem Ziel, sie konstruktiv zu lösen. Ich bin bereit zur gemeinsamen Reflexion und greife Anregungen aus dem kollegialen Austausch auf.
Im Sinne einer konstruktiven Fehlerkultur können und dürfen Fehler passieren! Sie müssen offen benannt, eingestanden und aufgearbeitet werden, um sie zur Verbesserung unserer Arbeit nutzen zu können. Ich werde deshalb Fehlverhalten, gefährdende Sachverhalte und alle Verhaltensweisen, deren Sinn und Hintergrund ich nicht verstanden habe, offen bei Kolleginnen und Kollegen, im Team und gegenüber der Leitung der Einrichtungen ansprechen.
Ich hole mir rechtzeitig Unterstützung, wenn ich an meine Grenzen komme. Ich achte auf meine körperliche und emotionale Gesundheit und nehme gesundheitliche Beeinträchtigungen ernst. Ich spreche physische und psychische Grenzen an und nehme bei Bedarf Hilfe in Anspruch.
Ich bin bereit, Fachkompetenz zu erlangen, sie zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dazu nutze ich die zur Verfügung gestellten Angebote (Fortbildung, Supervision, Fachberatung), um meine Fertigkeiten und mein Fachwissen zu überprüfen und zu erweitern. Ich halte mich an die Vorgaben bzw. professionelle Standards meines Trägers und bin bereit, an deren Weiterentwicklung mitzuarbeiten.
Dieser Verhaltenskodex ist Bestandteil des Arbeitsvertrages der Mitarbeiter/Innen der KiJu und wird von diesen unterschrieben. S. Anlage „Verhaltenskodex“)
III. Partizipation von Kindern – Stärkung ihrer Rechte
Wir fördern die Selbstbestimmung der Mädchen und Jungen und beteiligen sie an der Gestaltung des gemeinsamen Alltags. Beteiligung bedeutet für uns, dass die Kinder mitbestimmen und mitentscheiden können über Dinge oder Ereignisse, die ihr gemeinsames Leben in der Einrichtung betreffen. Über ihre Beteiligung erfahren wir mehr von und über die Kinder. Sich für die Ideen der Mädchen und Jungen zu interessieren, ihnen aktiv zuzuhören und sie zu ermutigen, ihre Sicht darzustellen – diese pädagogische Haltung wird durch jede einzelne Fachkraft und das gesamte Team vertreten. Dabei ist für uns von großer Bedeutung, den Kindern gegenüber glaubwürdig und verlässlich aufzutreten.
Jede Einrichtung geht bei der Gestaltung von Beteiligung ihren eigenen Weg. Sie wird in ganz unterschiedlichen Formen praktiziert: z.B. projektorientiert oder in offener Form als Kinderkonferenz oder Kinderparlament, in Form einer Hausordnung als gemeinsam erarbeitetes Regelwerk oder gruppenorientiert im Erzählkreis bzw. in Gruppenstunden.
Die Themen und Anlässe können dabei ganz verschieden sein: beim Tages- oder Wochenablauf, bei Aktivitäten wie Ausflüge, Feste oder dem Ferienprogramm, bei der Auswahl von Materialien und der Raumgestaltung, bei der Projektwahl und der Bildung von AGs etc. Wie die Beteiligung im Einzelnen erfolgt, ist der pädagogischen Konzeption der jeweiligen Einrichtung zu entnehmen.
Damit sich die Mädchen und Jungen beteiligen können, müssen sie wissen, worum es sich bei den anstehenden Entscheidungen handelt und welche Anforderungen an sie gestellt werden. Unsere Aufgabe als pädagogische Fachkräfte ist es, ihnen dazu die notwendigen Informationen zu geben und für die nötige Transparenz zu sorgen. Insbesondere in der Eingewöhnungsphase, wenn vieles noch neu ist, erläutern wir den Kindern die Regeln und Abläufe, bevor etwas geschieht.
Die Mädchen und Jungen äußern ihre Interessen und Wünsche ebenso wie ihre Ablehnung und ihren Protest in vielfältiger Weise. Was das einzelne Kind benötigt, um seine Rechte wahrzunehmen, ist individuell sehr unterschiedlich und abhängig von Alter, Geschlecht, Entwicklungsstand, kulturellem Hintergrund und den jeweiligen Begabungen und Beeinträchtigungen. Auch der soziale Hintergrund und die bisherige Sozialisation spielen dabei eine Rolle. Unser Anspruch ist es, die Mädchen und Jungen im Beteiligungsprozess individuell zu begleiten und zu unterstützen. Genauso wichtig ist es, dass die Kinder selbst entscheiden dürfen, ob und in welchem Umfang sie von ihren Rechten Gebrauch machen.
Beteiligung verstehen wir auch als Schlüssel zur Bildung. Wenn wir Kinder an Entscheidungen beteiligen, lernen sie, mit anderen zu kommunizieren, selbständig Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig werden sie mit den möglichen Konsequenzen und Folgen konfrontiert, wenn bestimmte Regeln nicht eingehalten werden. So gehen sie Bildungsprozesse und Lernsituationen ein, in denen sie Handlungskompetenzen einüben und erwerben.
Grenzen der Beteiligung sehen wir bei einer möglichen Selbst- oder Fremdgefährdung der Kinder, was nicht bedeutet, dass die Mädchen und Jungen nicht auch das Recht haben, an ihren Grenzen zu lernen und sich in unsicheren Situationen zu erfahren. Wir achten darauf, bei welchen Herausforderungen die Kinder ihre Autonomie und Mündigkeit üben können und welche Anforderungen sie über- oder unterfordern. Es liegt in der Verantwortung aller an der Erziehung Beteiligten, sie dabei zu unterstützen, welchen Entwicklungsherausforderungen sie sich stellen wollen und können.
Beteiligung bedeutet nicht, dass wir jede unserer Entscheidungen mit den Kindern ausdiskutieren – das würde alle Beteiligten überfordern. Das Selbst- und Mitbestimmungsrecht der Mädchen und Jungen respektieren wir im Rahmen gegebener Grenzen und Regeln, die wir erläutern bzw. gemeinsam mit ihnen festlegen. Damit fördern wir ihre Eigenverantwortung und unterstützen sie dabei, Verantwortung für das Leben in der Gemeinschaft zu übernehmen.
Beteiligung erfordert deshalb auch eine Auseinandersetzung im Umgang mit Macht – keine Erzieherin/kein Erzieher kommt (zumindest gelegentlich) um machtvolles Verhalten herum. Umso wichtiger ist es für uns, wahrzunehmen, welche Bedeutung Macht in unserem pädagogischen Alltag hat und dass wir die Verteilung der Macht zwischen uns Erwachsenen und den Kindern reflektiert gestalten. Dies sind ständige Themen in unseren Team-, Fall- und Personalgesprächen.
IV. Beschwerdemöglichkeiten
Wir sorgen dafür, dass die Mädchen und Jungen neben ihrem Recht auf Beteiligung auch das Recht haben, sich zu beschweren und dass ihre Anliegen gehört und angemessen behandelt werden. Das stärkt ihre Position in unseren Einrichtungen und gibt uns (der einzelnen Fachkraft wie dem gesamten Team) neue Sichtweisen auf unser eigenes Wirken. Kinder, die sich selbstbewusst für ihre Rechte und Bedürfnisse einsetzen, sind besser vor Gefährdungen geschützt. Unser bewusster Umgang mit den Beschwerden der Mädchen und Jungen ist somit eine wichtige Voraussetzung für einen aktiven Kinderschutz in unseren Einrichtungen.
Hinter einer Beschwerde steckt ein Entwicklungspotential. Die Anliegen und Bedürfnisse, die die Kinder (und Eltern) äußern, führen zwangsläufig zu einer Reflexion unserer Strukturen und Abläufe und des eigenen Verhaltens. Beschwerden bewirken Veränderung und ermöglichen Entwicklung – damit dienen sie der Qualität unserer Einrichtungen. Gerade in der Auseinandersetzung mit den eigenen Beschwerden und Anliegen ergeben sich für die Mädchen und Jungen Möglichkeiten, personale Kompetenzen wie Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit zu entwickeln. Ebenso erwerben sie soziale Kompetenzen – in der Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen Anderer müssen Lösungen und Strategien entwickelt oder Kompromisse ausgehandelt werden. Die Entwicklung dieser Kompetenzen sind Richtziele unserer pädagogischen Arbeit und dienen der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder.
Die Mädchen und Jungen äußern ihre Beschwerden oft nicht direkt. Ihre Anliegen und Bedürfnisse, die hinter einer Beschwerde im weitesten Sinne liegen, können sehr unterschiedlich aussehen. Dies kann ein Unwohlsein, eine Unzufriedenheit sein (z.B. mit dem Essen), es kann sich um einen Veränderungswunsch handeln (z.B. bezüglich einer Gruppenregel) oder ein Thema betreffen, das sich aus dem Verhalten und den Reaktionen anderer ergibt (z.B. dem Konflikt, nicht mitspielen zu dürfen). Wir Fachkräfte sind gefordert, die Unmutsbekundungen der Kinder bewusst wahrzunehmen und sich mit ihnen auf die Suche nach dem zu begeben, was hinter der Beschwerde steckt. Deshalb spielen alle ihre Anliegen, die aus Sicht der Erwachsenen Kleinigkeiten oder Banales darstellen, für uns eine wichtige Rolle. Durch unser Interesse an ihrer Kritik fühlen sich die Mädchen und Jungen ernst genommen und suchen auch bei anderen Sorgen unsere Unterstützung.
Die Kinder nutzen im Betreuungsalltag oft informelle Wege, um ihre Unzufriedenheit zu äußern, und sie äußern ihre Beschwerde nicht immer eindeutig und direkt. Dabei müssen sie sicher sein, dass ihre Anliegen ernst genommen werden. Auf die Festlegung einer „Beschwerdestelle“ oder eines starren Verfahrens haben wir ganz bewusst verzichtet. Unsere Erfahrung ist, dass sich die Kinder in aller Regel an eine Person ihres Vertrauens wenden, wenn sie Anliegen oder Nöte haben und sich besprechen wollen. Das kann die Gruppenkraft, aber auch jede andere Fachkraft in der Einrichtung sein. Diese Person des Vertrauens steht den Mädchen und Jungen im Alltag unmittelbar zur Verfügung und ist sozusagen die erste, entscheidende Beschwerdestelle.
Durch die besondere Nähe zu den Kindern ist dieser Beschwerdeweg meist spontan – das ist von Vorteil, hat aber auch Grenzen. Das bewusste Annehmen der Beschwerde ist dann eine Herausforderung, wenn in der aktuellen Situation wenig Zeit bleibt. Dann signalisieren wir Fachkräfte mit einer ersten Reaktion, das Anliegen wahrgenommen zu haben und knüpfen in einer ruhigen Minute allein mit dem Kind an die Situation wieder an. Unser Anspruch ist es, dieses persönliche (Wieder-)Aufnehmen und Konkretisieren der Beschwerden verlässlich zu gewährleisten.
Es gibt für die Mädchen und Jungen ebenso die Möglichkeit, sich direkt an die Leitungskraft in der Einrichtung zu wenden – auch sie ist eine wichtige Ansprechperson für ihre Anliegen oder Kritik. Sie ist in den Gruppen präsent und den Kindern bekannt, hat aber in der Regel eine größere Distanz und kann von außen einen Blick auf das Geschehen einnehmen. Die Kinder erleben diese Beschwerdemöglichkeit als äußerst positiv, da die Leitung eine besondere Position in der Einrichtung einnimmt. Damit wird ihr Anliegen aufgewertet und erhält einen besonderen Stellenwert. Durch ihren Einfluss kann die Leitung weitere Prozesse initiieren und Veränderungen in der Einrichtung anstoßen.
Eltern nutzen einen Teil dieser Beschwerdewege ebenfalls, wenn sie ein Anliegen haben. Ihre Beschwerden liefern uns wichtige Hinweise darüber, welche Wünsche und Erwartungen sie haben. Unser Anspruch ist es, die Belange möglichst schnell zu bearbeiten und eine Lösung bzw. Verbesserung zu erreichen. Manchmal reicht das vertrauensvolle Gespräch aus, um die Beschwerde zu beheben, manchmal ist es notwendig, für die Bearbeitung weitere Stellen miteinzubinden. Dabei ist die direkte Ansprache der Gruppenkraft oder der Leitung der einfachste und beste Weg zur Klärung. Möchten die Eltern diesen Direktkontakt bzw. das persönliche Gespräch nicht nutzen, haben sie auch die Möglichkeit, sich an ihre Elternvertretung bzw. an unseren Träger zu wenden. Im Sinne einer beschwerdefreundlichen Kultur sehen wir dies als völlig legitim an.
Jede Einrichtung praktiziert eine eigene, aber verlässliche Umsetzung der Beschwerdeverarbeitung: in Gruppenbesprechungen oder in Einzelgesprächen „ich brauche eine Sprechzeit“, über Meinungs- oder Zufriedenheitsbefragungen (je nach Alter mittels Visualisierung mit Symbolen, Smileys, auf Kinderbögen) oder durch die gemeinsame Festlegung von Gruppenregeln, von Nein- oder Stopp-Regeln. Insbesondere auf das Achten von Grenzen legen wir sehr viel Wert. Ein Kind, das ein sicheres Gefühl für die eigenen persönlichen Grenzen hat, kann diese auch außen deutlich machen und nein sagen.
Unsere Aufmerksamkeit ist besonders dann gefordert, wenn eine Grenze missachtet oder überschritten wird – unser pädagogisches Handeln erfordert dann ein rasches Reagieren und Eingreifen. Unser Anspruch, die eigenen Einrichtungen zu einem sicheren Ort für Kinder zu machen, beinhaltet dabei auch, das eigene Personal in den Blick zu nehmen und fachlich zu begleiten. Sollte es zu Beschwerden über eine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter hinsichtlich einer Vermutung auf grenzverletzendes Fehlverhalten kommen, ist unser Vorgehen in einem festgelegten Verfahren klar geregelt.
Unser oberstes Ziel ist, den Schutz des Opfers zu gewährleisten und eine Klärung der Beschwerde zu erreichen.
V. Prävention
Ein wichtiger Baustein unseres Schutzkonzeptes ist die Prävention. Unsere Präventionsarbeit basiert auf den grundlegenden Rechten der Kinder. Indem wir die Mädchen und Jungen beteiligen und sie dabei ihre Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit erleben, stärken wir ihr Selbstbewusstsein. Selbstsicherheit gelingt nicht, indem Angst erzeugt wird, beispielsweise mit abschreckenden Bildern und Verhaltenstipps, die mit Verboten arbeiten oder auf eine bestimmte Weise Druck auf Kinder ausüben. Zentrale Aspekte unserer Präventionsarbeit sind stattdessen der Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes mit der Vermittlung positiver Botschaften: durch die Beschäftigung mit den eigenen Stärken, durch die Erlaubnis, alle Gefühle haben zu dürfen und über seinen Körper selbst bestimmen zu dürfen. So fördern wir die Mädchen und Jungen in ihrer Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit und bestärken sie darin, den eigenen Gefühlen und ihrer Intuition zu vertrauen.
Wir können die Kinder nicht vor jeder bedrohlichen Situation bewahren, aber wir können sie darin unterstützen, einen positiven Zugang zu sich und ihrem Körper zu bekommen und Grenzen zu setzen. Hierbei spielt die Sexualerziehung eine wichtige Rolle. Sie ist Teil unseres Erziehungs- und Bildungsauftrages, die wir in viele andere Lernprozesse (körperlich, emotional, sozial) mit einbeziehen. Unser Ziel ist es, die Identitätsentwicklung der Mädchen und Jungen, das Bewusstsein für das eigene Geschlecht, zu fördern und sie in ihrer psychosexuellen Entwicklung zu begleiten.
Im Grundschulalter und in der Vorpubertät setzt sich die psychosexuelle Entwicklung der Kinder fort. Die Mädchen und Jungen verlieben sich in andere Kinder (auch in erwachsene Bezugspersonen), sie tauschen erste Zärtlichkeiten aus und „gehen“ miteinander. Oft benutzen sie einen Sprachjargon mit sexuellem Inhalt, auch wenn sie die Begriffe nicht kennen oder nur oberflächlich verstehen. Da bereits bei 9- und 10-jährigen Mädchen die Menstruation einsetzen kann und sich mit 11 oder 12 Jahren schon bei vielen Mädchen und Jungen Anzeichen der beginnenden Geschlechtsreife zeigen, gewinnt die Körper- und Sexualaufklärung in dieser Phase besonders an Bedeutung. Hier ergänzen wir die Sexualerziehung der Eltern und der Schule. Wir greifen Themen der Sexualität und Beziehungsgestaltung auf, wenn sich die Kinder von sich aus damit beschäftigten und beantworten sensibel ihre Fragen.
Eine gute Unterstützung bieten dabei Bilder- und Vorlesebücher oder Musik-CDs mit Geschichten rund um Körper, Sinne und Gefühle.
Es ist manchmal nicht leicht, zwischen normaler Körpererkundung und beunruhigendem bzw. übergriffigem Verhalten zu unterscheiden. Es liegt in unserer Verantwortung als pädagogische Fachkraft, differenziert zu beobachten und das Verhalten der Mädchen und Jungen weder zu verharmlosen noch zu dramatisieren. Übergriffiges Verhalten umfasst ein breites Spektrum und geht insbesondere mit Machtgefälle (z.B. durch den Altersunterschied der Kinder, das Ausüben von körperlicher Kraft etc.) und Unfreiwilligkeit einher. Die Einschätzung der Freiwilligkeit ist nicht immer einfach, wenn in Spielsituationen das eigene Interesse des Kindes so groß ist, dass der Wille des anderen Kindes dabei übergangen wird. Dies geschieht häufig in Situationen, in denen sich ein Kind erst einverstanden erklärt hat, im Verlauf des Spiels aber lieber aufhören möchte.
Kommt es nicht nur einmalig bzw. unbeabsichtigt, sondern wiederholt oder gezielt zur Missachtung der besprochenen Regeln, analysieren wir die Situation zunächst im Team und sprechen dann mit den Eltern des betreffenden Kindes, um zu verstehen, was hinter seiner Handlung stecken kann. Ggf. ziehen wir eine externe Fachberatungsstelle zur Einschätzung hinzu. Dabei hängt es von der Art des Vorfalls ab, ob unser pädagogisches Handeln und die ergriffenen Maßnahmen in der Einrichtung ausreichen, das betreffende Kind zu unterstützen oder ob ggf. weitere (z.B. therapeutische) Hilfe notwendig ist.
Unser Anspruch ist es, auf dieser Grundlage eine grenzachtende Atmosphäre in unseren Einrichtungen sicherzustellen.
VI. Intervention
Intervention heißt, zielgerichtet einzugreifen, wenn eine Situation vorliegt, die den Schutz der uns anvertrauten Mädchen und Jungen erfordert. Dann ist es wichtig zu wissen, welche Maßnahmen zu treffen sind und was jede/r Einzelne zu tun hat. Dazu müssen wir konkrete Gefährdungen bzw. Risiken fachlich einschätzen und entsprechende (Schutz-)Maßnahmen einleiten und auch mit falschen Vermutungen qualifiziert umgehen können. Unser Krisenmanagement berücksichtigt dabei die Fürsorgepflicht für die betreuten Mädchen und Jungen wie für die eigenen Beschäftigten.
Unser Schutzauftrag bezieht sich auf unterschiedliche Gefährdungsformen. In den Blick genommen werden Ereignisse, die im familiären/außerfamiliären Umfeld wie innerhalb unserer Einrichtung geschehen können und von Erwachsenen ausgehen. Es umfasst aber auch das Verhalten von Kindern untereinander. In jedem Fall ist unsere Vorgehensweise verbindlich geregelt und an professionellen Standards ausgerichtet. Definierte Abläufe geben uns dabei Orientierung und Handlungssicherheit. Unser Ziel ist es, überlegt und strukturiert zu handeln, um den Schutz der Kinder sicherzustellen und professionelle Hilfe anzubieten.
Zum Betreuungsalltag der Mädchen und Jungen gehören gemeinsame Nähe, wie auch konflikthafte Situationen, bei denen sie sich gegen andere behaupten und durchsetzen müssen. Dabei können persönliche Grenzen missachtet oder überschritten werden. Dies kann von den Kindern unbeabsichtigt geschehen, dem Verhalten können aber auch andere Ursachen zu Grunde liegen. Sie können Ausdruck einer Distanzlosigkeit oder eines mangelnden körperachtenden Respekts sein, sie können auf eigene (übergriffige) Gewalterfahrungen hinweisen, es kann sich aber ebenso um ganz normale Entwicklungsschritte oder nur das Ausprobieren von Regelüberschreitungen handeln. Ob diese Verhaltensweisen Grenzverletzungen darstellen, hängt nicht nur von der jeweiligen Handlung ab, sondern auch davon, wie das betroffene Mädchen oder der betroffene Junge dies erlebt. Hier haben die verbalen und nonverbalen Signale der Kinder eine große Bedeutung, weshalb wir Fachkräfte solchen Situationen mit einer verstärkten Aufmerksamkeit begegnen. Im Zweifelsfall gehen wir dazwischen, um das grenzverletzende Verhalten direkt zu benennen und zu stoppen.
Grenzverletzendes Verhalten von Kindern untereinander
Jüngeren Kindern fällt es noch schwer, ihre Impulse zu kontrollieren und die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen bzw. zu respektieren. Im Sinne eines fachlich angemessenen Umgangs ist es deshalb notwendig, die Fähigkeiten und Eigenheiten der Kinder differenziert zu beobachten/einzuschätzen und ihre Entwicklung zu dokumentieren. Unter Umständen holen wir uns fachliche Unterstützung ein, um ein auffälliges Verhalten von altersangemessenen Aktivitäten zu unterscheiden. Dazu steht uns die im Kinderschutz „insoweit erfahrene Fachkraft“ oder anderer Beratungsstellen zur Verfügung – hierüber informieren wir die Eltern. Auf jeden Fall ist das Gespräch mit den Sorgeberechtigten wichtig, um die Ursachen des Verhaltens abzuklären und in Abstimmung mit ihnen weitere Hilfen anzustoßen. Auch das von der Grenzverletzung betroffene Kind braucht erhöhte Aufmerksamkeit, denn es können ggf. intensive Reaktionen ausgelöst werden. Je nach Art des Vorfalls informieren wir dessen Eltern, damit sie ihr Kind angemessen begleiten und ggf. zusätzliche Unterstützung erhalten,
Vernachlässigung bzw. Misshandlung eines Kindes in der Familie
Wenn wir gewichtige Anhaltspunkte auf Vernachlässigung bzw. Misshandlung eines Kindes in der Familie bzw. durch das sozial nahe Umfeld wahrnehmen, informieren wir unverzüglich die Leitungsebene der Einrichtung und reflektieren im Team bzw. in einer kollegialen Beratung das Fallgeschehen. Unter Hinzuziehung der „insoweit erfahrenen Fachkraft“ nehmen wir eine Gefährdungseinschätzung vor und planen die nächsten Schritte; bei Vermutung auf sexuellen Missbrauch nehmen wir zusätzlich eine spezialisierte Fachberatung von außen in Anspruch.
Die Eltern binden wir dabei so gut wie möglich mit ein, wenn der Schutz des Kindes dadurch nicht in Frage gestellt ist. Unter Beachtung seines Alters- und Entwicklungsstandes beteiligen wir auch das betroffene Kind, um unser Vorgehen zu erklären.
Wir besprechen mit den Eltern, was zu einer gesunden Entwicklung nötig ist, weisen auf geeignete Beratungs- oder Förderhilfen hin und verabreden die nächsten Schritte.
Nach einem vereinbarten Zeitraum klären wir in einem weiteren Elterngespräch, wie sich die Situation entwickelt hat. Wenn unsere Bemühungen keine Wirkung zeigen und die Gefährdung des Kindes nicht abgewendet werden kann, informieren wir das Jugendamt. In besonderen Ausnahmesituationen, in denen eine akute Kindeswohlgefährdung vorliegt, sind wir zu einer sofortigen Mitteilung an das Jugendamt verpflichtet. (s. Anlage „Handlungsleitfaden bei Verdachtsmomenten“)
Nicht alle Vorkommnisse oder Auffälligkeiten, die wir bei den Mädchen und Jungen wahrnehmen, sind ein Hinweis darauf, dass sie gefährdet sind. Manchmal bestehen dennoch bestimmte Ereignisse, die für die Familie oder das Kind belastend sein können. Unser Anliegen ist in erster Linie, mit den Eltern vertrauensvoll zusammen zu arbeiten und sie frühzeitig auf Hilfen aufmerksam zu machen, die sie bei ihrer Erziehungsverantwortung unterstützen können. So können wir gewährleisten, dass alles getan wird, das Wohl der uns anvertrauten Mädchen und Jungen zu schützen und ihre Entwicklung zu fördern.
Grenzverletzendes Fehlverhalten durch eigene Beschäftige
Steht die Vermutung auf grenzverletzendes Fehlverhalten durch eigene Beschäftige im Raum, wird die Einrichtungsleitung unverzüglich handeln.
Welches fachliche oder persönliche Handeln hat Anlass zum Aufkommen der Vermutung gegeben – handelt es sich um pädagogisch-grenzverletzendes Verhalten, Überengagement, Verquickung von beruflichem und privatem Engagement etc.? Diese Fragen gilt es als erstes zu bewerten und die Fakten abzuklären, insbesondere durch unmittelbare Gespräche mit dem betroffenen Kind (abhängig von Alter und Entwicklungsstand) als auch mit der/dem betroffenen Beschäftigten. Wurden fachliche Standards verletzt, werden sie seitens der Leitung klar benannt und deren Einhaltung gefordert, ggf. werden auch konkrete (Verhaltens-) Anweisungen gegeben. Diese Anweisungen dienen nicht nur dem Schutz der Mädchen und Jungen, sondern ebenso dem Schutz der Beschäftigten vor eventueller Verleumdung.
Kommt die Leitung in dieser ersten Abklärungsphase zum Ergebnis, dass ein Gefährdungsrisiko gegeben ist, werden Sofortmaßnahmen zum Schutz des betroffenen Kindes und zur Beendigung der Gefährdung getroffen. Dies können organisatorische Vorkehrungen in der Einrichtung wie personelle Erstmaßnahmen sein.
Umgehend werden wir die Eltern des betroffenen Kindes informieren und Unterstützungsleistungen anbieten, z.B. durch Vermittlung qualifizierter Ansprechpersonen bzw. geeigneter Fachberatung. Die Verantwortung für das weitere Krisenmanagement erfolgt dann in einem sog. Krisenteam, dessen Zusammensetzung festgelegt ist und das unmittelbar auf Trägerebene einberufen wird. Alle vorliegenden Informationen werden gemeinsam bewertet und wir nehmen eine qualifizierte Gefährdungseinschätzung vor, bevor die weiteren Schritte entschieden werden.
Können die Anhaltspunkte nicht entkräftet werden und es liegt eine begründete Vermutung auf grenzverletzendes Verhalten durch eigene Beschäftigte vor, informieren wir unverzüglich die zuständigen Behörden und schalten die Strafverfolgungsbehörden ein. Nach Anhörung der/des Beschuldigten ergreifen wir dienstrechtliche Maßnahmen (z.B. Einsatz an anderer Wirkungsstätte, Freistellung vom Dienst etc.) wie auch Fürsorgemaßnahmen, über die wir das Team informieren. Abhängig von der Fallkonstellation und der Gefährdungsdimension wägen wir ab, ob wir alle Eltern der Einrichtung über das Vorkommnis informieren und welche weiteren Unterstützungsleistungen vor Ort vonnöten sind.
Dies alles geschieht in den ersten ein bis zwei Tagen nach Aufkommen einer Vermutung. Danach bewerten wir im Krisenteam unter Einbeziehung aller relevanten Stellen und Akteure (im Falle sexualisierter Grenzverletzungen mit zusätzlicher Unterstützung einer unabhängigen spezialisierten Fachberatungsstelle) fortlaufend die Situation, planen die jeweils nächsten Schritte und entscheiden über alle weiteren Maßnahmen einschließlich erforderlicher Unterstützungsleistungen.
Gerade der Umgang mit Vermutungen bedarf der sorgfältigen Abwägung, um nicht zu bagatellisieren, wo Einschreiten notwendig ist oder einen Generalverdacht zu verhängen, wo Vertrauen angesagt ist. Dieser schwierige Balanceakt zwischen der Sorge für das Kindeswohl und der Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten kann nur geleistet werden, wenn wir ruhig und besonnen handeln und unser Vorgehen einschließlich des Umgangs mit Informationen professionell und sorgsam ist. Denn wir müssen gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten wahren – nur so kann eine Verunsicherung der Mitarbeiter/innen und aller Eltern vermieden sowie ungerechtfertigten Verdächtigungen vorgebeugt werden.
Erweist sich am Ende des Klärungsprozesses die Vermutung als unberechtigt, muss die/der betroffene Beschäftigte vollständig rehabilitiert werden. Das heißt, alle Stellen und Personen, die über den Vorfall informiert oder am Prozess beteiligt waren, werden von uns eindeutig über die Ausräumung der Verdachtsmomente informiert. Ein solches Ereignis wiegt schwer. Die betroffene Person ist u.U. in ihrer persönlichen/gesundheitlichen und beruflichen Integrität sehr beschädigt, wie es auch die ganze Familie stark belasten kann. Gleichzeitig ist die gesamte Einrichtung davon betroffen – Vertrauen ist verloren gegangen und es ist schwer, die notwendige Sicherheit und Normalität im pädagogischen Alltag wieder herzustellen. Im Rahmen unserer Fürsorgepflicht werden wir deshalb das Angebot von Unterstützungsleistungen machen, die eine beratende/therapeutische Begleitung für die betroffene Person wie auch Fachberatung/Supervision für das gesamte Team umfassen kann. Darüber hinaus werden wir den Vorfall nachhaltig aufarbeiten, was die Überprüfung unserer fachlichen Standards miteinschließt.
VII. Fortbildung und fachliche Beratung
Als Träger verschiedener Betreuungseinrichtungen kommt uns eine besondere Verantwortung bei der Wahrnehmung des gesetzlichen Schutzauftrages zu. Um dieser anspruchsvollen und komplexen Aufgabe gerecht zu werden, braucht es fachliches Wissen und die Reflexion des eigenen Handelns – nur so können wir unseren Auftrag angemessen und überlegt wahrnehmen.
Dazu nutzen wir verschiedene Möglichkeiten fachlicher Qualifizierung und Beratung – sowohl auf Team- und Leitungsebene sowie für jede einzelne Fachkraft. Ziel dabei ist es, unsere Sensibilität zu fördern, die eigene Handlungskompetenz zu stärken bzw. zu erweitern und sich mit neuen Arbeitsansätzen vertraut zu machen. Dies geschieht durch Angebote:
- der Qualifizierung durch Fortbildung
- der kollegialen Fallberatung
- der engen Kooperation und Zusammenarbeit mit den Lehrkräften der jeweiligen Schulen
- dem Austausch bzw. der Beratung mit den Schulsozialarbeitern/Innen
- der Beratung beim zuständigen Jugendamt, die wir regelmäßig bzw. anlassbezogen in Anspruch nehmen können.
- der Teilnahme an interdisziplinären Netzwerken
Unser Anspruch ist es, professionell und rechtzeitig Hilfe zu leisten. Deshalb reflektieren wir unsere Erfahrungen in Teamgesprächen und greifen bei Bedarf auf die Unterstützung der genannten erweiterten Beratungsangebote zurück. Durch die Qualifizierung unseres Personals versuchen wir, unsere Betreuungsqualität zu sichern, die wir stetig verbessern möchten. Wir reflektieren vorhandene Abläufe und Prozesse und blicken über den Tellerrand hinaus – beispielsweise durch die Teilnahme an interdisziplinären Netzwerken.